Warum werden GMP Erfordernisse oft an den vermeintlichen „Vorlieben“ von Inspektoren ausgerichtet anstatt an den Inhalten der Regelwerke oder der Auffassung der verantwortlichen Sachkundigen Person ?

Eigentlich gibt es bei dem schwarz auf weiß lesbaren Text der Regelwerke kaum Deutungs-Spielraum. Letztlich ist das Lesen, Verstehen und Umsetzen der Inhalte der Regelwerkle eine Frage von Effizienz und Effektivität.

Effizienz ist ein Maß für die Wirtschaftlichkeit, Beispiel: wie erreiche ich einen minimalen Kraftstoffverbrauch bei Autofahren? Indem ich langsam fahre.

Effektivität beschreibt den Grad der Zielerreichung, Beispiel: fahre ich mit dem Auto in die richtige Richtung, d.h. wie weit liegt mein erreichtes Ziel von dem geplanten Ziel entfernt ? Eigentlich wollte ich ja nach Hamburg, aber bin in Köln gelandet, das aber vielleicht sehr kraftstoffsparend also effizient.

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Nun könnte man argumentieren: bei Meinungen kommt es ja wohl darauf an, von wem sie kommen. Und bei einem Inspektor darf man ja wohl eine gewisse Sachkunde voraussetzen. Das ist selbstverständlich richtig. Aber: Sachkunde ist auch im eigenen Haus verfügbar ohne den Inspektor fragen zu müssen, nämlich bei der Sachkundigen Person (deswegen heißt sie ja so).

Sicherlich ist ein Inspektor im Hinblick auf die GMP Umsetzung ein „Influencer“ (wie man heute gerne sagt), aber ein Opinion Leader oder gar ein Key Opinion Leader ist er deswegen noch lange nicht.

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Lassen Sie Fakten sprechen und nicht Meinungen ! Wenn es Ihnen wirklich wichtig ist, einen Inspektor zu beeindrucken, wird Ihnen das umso leichter gelingen, je erfolgreicher Sie glaubhaft machen können, dass Sie wirklich wissen, was Sie tun und dies im GMP Zusammenhang aus den Regelwerken begründen können.

Ich gehe noch einen Schritt weiter: wenn Sie GMP Compliance aus persönlicher Überzeugung betreiben, wirken Sie am glaubwürdigsten. Das Erreichen von GMP Compliance ist einerseits ein nie endender Prozess, andererseits von zahlreichen (fachkompetenten) Entscheidungen abhängig. Wir werden uns übrigens daher in einer der nächsten Folgen auch mit dem Thema Entscheidungsfindung (z.B. für sachkundige Personen) auseinandersetzen.

Eine kleine Anekdote zum Abschluss:

Ein Inspektor der zuständigen Aufsichtsbehörde kündigt eine Inspektion für einen GMP-Produktionsbereich an, in dem Tabletten und Granulate hergestellt werden. Im Rahmen der Vorbereitung stellt sich heraus, dass dieser Inspektor in seinem vorherigen Berufsleben in einem Parenteralia Betrieb tätig war. Die Inspektion verläuft routiniert und ohne große Auffälligkeiten. Nach Begehung des Solida-Produktionsbereiches möchte der Inspektor gern Daten aus einem Partikel-Monitoring sehen, mit denen eine Einstufung gemäß Class D belegt werden kann.

Der Inspektor wird freundlich aber bestimmt darauf hingewiesen, dass uns eine Vorschrift für ein  Partikelmonitoring zum Nachweis dieser Raumluftqualität lediglich für Sterilbereiche zur Parenteralia Herstellung bekannt sei. Die Solida Produktion ist kein solcher Steril-Bereich, die Class D Definition aus EU GMP Annex 1 sei daher für uns nicht relevant. Der Inspektor kann seinerseits eine entsprechende Vorschrift nicht zitieren und nimmt seine Forderung zurück. Daraufhin werden ihm inoffiziell (sozusagen unter Kollegen) Daten gezeigt, die at rest eine Raumluftqualität der Partikel ≥ 5 μm/m3 von deutlich unterhalb der Anforderungen von Class D zeigen, also wesentlich besser als erwartet aber eben nicht vorgeschrieben.

Lesson learnt: im vernünftigen Gespräch mit dem Inspektor lassen sich auf der Grundlage entsprechender Kenntnis der Regelwerke im gemeinsamen GMP-Verständnis vermeintliche Mängel auf die Sachebene reduzieren und damit relativieren und von Meinungen oder Vorlieben unabhängig machen.

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