Purpose steht für den inneren Antrieb, etwas zu tun und den Sinn dahinter. Früher nannte man das auch „Motivation“. Oft ist darin ein größeres Ziel enthalten – das sich dann in der Vision oder Mission wiederfindet. Die ideale Konstellation ist gegeben, wenn der persönliche Purpose mit dem Unternehmenspurpose übereinstimmt.

Ein verbindender Gedanke könnte beispielsweise sein: „wir wollen dem Patienten sichere und wirksame Arzneimittel zur Verfügung stellen.“

Die QP kennt purpose in ähnlicher Form bereits aus ICH Q8: ein Quality Target Product Profile ist nichts anderes als ein Ziel – ein Purpose. Damit ist ein Zweck und Sinn des eigenen Handelns und eine Absicht und Aufgabe verbunden und das war’s auch schon – das sind die wesentlichen Elemente von Purpose.

Wenn sich die QP schon nicht durch Inhalte von Mission und Vision leiten lassen will, weil die meistens niemand konkret kennt und schon gar nicht danach handelt, wie wäre es dann mit Purpose ?

Wenn wir also Purpose als zusammenfassenden Begriff für Ziel, Zweck, Sinn, Absicht und Aufgabe betrachten: wo steht in diesem Zusammenhang die QP ? weiter lesen

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten Mängel im Gesundheitssystem direkte oder indirekte Auswirkungen auf die Patienten haben. Damit wird eine Sachkundige Person durch die Sicherstellung einer hinreichenden Qualität zur Beherrschung von Nebenwirkungen zum Sachwalter von Patienten-Interessen.

Somit ist die grundsätzliche Frage, die sich die Sachkundige Person bei Freigabe-Entscheidungen zu stellen hat, doch die folgende: kann ich es verantworten, das Arzneimittel mit der von mir festgestellten Qualität einem Patienten zu verabreichen oder noch besser: würde ich mit dem Wissen, dass ich über die Qualität dieses Arzneimittels und dieser Charge auch jenseits der Spezifikationen habe, dieses Arzneimittel meinen Kindern oder meiner Familie geben ? Nur wenn diese Fragen guten Gewissens mit Ja beantwortet werden können, darf eine Freigabe erfolgen.

Gleichzeitig sind damit die Prioritäten bei Ermessensentscheidungen festgelegt: finanzielle Auswirkungen im Sinne von Effizienz und Effektivität sollten bei der Freigabeentscheidung definitiv nicht im Vordergrund stehen.

Dass diese Priorisierung nicht immer leicht durchzuhalten ist, ist mir aus eigener jahrelanger Erfahrung mehr als bewusst. Genau aus diesem Grund benötigt die QP neben den formalen im AMG festgelegten fachlichen Qualifikationsmerkmalen eben auch noch weitere, die im Wesentlichen in der Persönlichkeit der QP verborgen sind.

Der grundsätzliche ethische Aspekt bei einer Freigabeentscheidung wird der QP von niemandem abgenommen. Zwar hat eine Zulassungsbehörde einmal eine Zulassung erteilt und die darin enthalten Vorgaben sind natürlich einzuhalten, aber es gibt zahlreiche Aspekte, die in der Zulassung nicht näher spezifiziert sind und dennoch einen Einfluss auf die Qualität haben können. Ich nenne als Beispiele nur mal: Mängel in der Prozessvalidierung, ungenügende Dokumentation oder unzureichend qualifizierte Mitarbeiter und Gerätschaften, die zu einer ungenügenden Qualität des Arzneimittels  führen, obwohl die Spezifikationen formal eingehalten wurden.

Der Purpose (und damit der Sinn) der Tätigkeit einer QP besteht also darin, Risiken oder Schäden, soweit sie mit der Arzneimittelqualität zusammenhängen, vom Patienten abzuwenden !

Mit diesem Purpose hat die QP zu Recht eine besondere Funktion innerhalb einer Firma und der Gesetzgeber hat ihr bewusst persönliche Haftungsrisiken aufgebürdet, damit die QP diese Verantwortung ernst nimmt. weiter lesen

Die QP kann bei manchen Entscheidungen auf einem sehr einsamen Posten stehen und sollte das aushalten können. Oder wie es ein Kollege einmal verständnisvoll anmerkte, als ich ihn nach meinem vergessenen Regenschirm fragte: er könne mich verstehen – eine QP könne ohne Regenschirm nicht leben, denn eine QP stehe immer im Regen.

In diesen Zeiten, in denen wir uns zwischen Verschwörungstheorien, alternativen Fakten und unverständlichen Zusammenhängen orientieren müssen, scheint es mir angebracht, auch im GMP Zusammenhang das Entstehen von „Pseudo-Standards“ näher zu beleuchten.

Wie verläuft die Meinungsbildung bei der Interpretation von GMP Anforderungen?

Betrachten wir zunächst die Zielsetzung von GMP: GMP liefert den Rahmen zur Qualitätssicherung von Arzneimitteln. Eine definierte Qualität hat zum Ziel, den Patienten keinem Risiko auszusetzen, das auf mangelnde Qualität des Arzneimittels zurückzuführen ist.

Es geht also um Patientensicherheit. Ob das Motiv zur Gewährleistung dieser Patientensicherheit primär ethisch oder ökonomisch geprägt ist, spielt im Ergebnis keine Rolle. Maßgeblich ist: die durch GMP gesetzten Standards müssen eben diese Qualität ermöglichen.

Insofern ist es nicht zu akzeptieren, dass diese Standards aus individuellen Interpretationen entstehen oder gar durch Influencer oder Meinungsbildner bestimmt werden, die sich in erster Linie an einem vermeintlichen Mainstream orientieren.

Das bekannteste Beispiel in diesem Zusammenhang ist wohl die weitverbreitete Auffassung, dass unter Validierung die Herstellung dreier Chargen unter identischen Bedingungen zu verstehen sei.

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Eine Sachkundige Person wird die Beurteilung, ob eine Herstellung als validiert gelten kann, heute hoffentlich auf der Grundlage der documented evidence, also der Ergebnisse aus den Untersuchungen wie z.B. bei ICH Q8 oder EU-GMP Annex 15 gefordert, vornehmen.

Auch wenn sie nicht persönlich für die Durchführung der Validierungsmaßnahmen verantwortlich ist (das wäre im Zweifel die Zuständigkeit der Leitung der Herstellung) muss die QP in der Lage sein, zu beurteilen, ob eine Charge als validiert anzusehen ist oder nicht, weil diese Feststellung freigaberelevant ist.

Bis heute ist vielen Beteiligten nicht in letzter Konsequenz bewusst, welche Qualifikationen eine sachkundige Person besitzen muss, welche Verantwortlichkeiten sie hat und wie sie abzugrenzen ist gegen die Leitung der Herstellung und die Leitung der Qualitätskontrolle.

Ebenso ist meistens unklar, welche persönlichen Haftungsrisiken eine sachkundige Person nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers hat und warum sie in manchen Fällen die Freigabe einer Charge ablehnen MUSS.

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Für mich ist nicht erst seit diesem Erlebnis das Verständnis und die Durchsetzung von GMP Anforderungen untrennbar mit der fachlichen Kompetenz der sachkundigen Person verbunden. Leider ist diese Qualifikation allein erfahrungsgemäß nicht ausreichend. Ebenso sollte sie über persönliche Qualifikations-Merkmale verfügen, um ihrer Funktion gerecht werden zu können.

Zu diesen Persönlichkeitsmerkmalen gehören wohl Durchsetzungsfähigkeit, schnelle aber zielgerichtete und sichere Meinungsbildung, detaillierte Kenntnis der Regelwerke, fundierte Entscheidungsfähigkeit und Unerschrockenheit und Standfestigkeit bei der Durchsetzung von GMP Notwendigkeiten auch gegenüber dem Management.

Leider haben sich dennoch zahlreiche vermeintliche GMP Standards als „Meinungen“ in der Branche etablieren können, für die es in den Regelwerken keine tatsächliche Grundlage gibt. Dazu ein paar Erfahrungen, die immer wieder anzutreffen sind:

  • Man glaubt, Verträge brauche man nur mit Lohnherstellern (Anmerkung: heute ist die Zielgruppe als „outsourced activities“ wesentlich weiter gefasst)
  • Audits werden oft nur gemacht, weil sie im Rahmen der Lieferantenqualifizierung vorgeschrieben sind und nicht, weil sie Erkenntnisse über die zu erwartende Ergebnisqualität der Dienstleistung liefern sollen. Entsprechend entsteht ein nicht zu rechtfertigender und unqualifizierter „Audit-Tourismus“
  • Spezifikationen werden immer noch häufig so definiert, dass alle Produkte innerhalb der definierten Spezifikationsgrenzen bleiben und damit eine Sperrung möglichst vermieden wird. Damit ist aber eine Spezifikation nicht mehr spezifisch und diskriminiert nicht zwischen tatsächlichen Qualitätsunterschieden.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass dem erstmalig vor über 30 Jahren von der FDA genannten Aspekt “documented evidence“ viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Somit haben die Sachkunde als Grundlage für fachkompetente Entscheidungen sowie die vernünftige Gestaltung des GMP Rahmens z.B. durch angemessen gestaltete SOPs eine viel größere Bedeutung bekommen als heute gemeinhin angenommen.

Managing Uncertainty: Kaffeesatzlesen mit System

Der Blick in die Zukunft ist in der Pharmaindustrie in Entwicklung und Herstellung immer schon wichtig und mehr als Kaffeesatzleserei gewesen. Da sich aufgrund der aktuellen allgemeinen Situation derzeit viele Menschen mit diesem Thema beschäftigen, schien es uns angebracht, diese Aspekte einmal aus der CMC Sicht zu beleuchten.

In der letzten Folge haben wir uns mit dem Thema Risiko befasst. Das Risikomanagement versucht eine strukturierte Abschätzung von Ereignissen in der Zukunft, um die Auswirkungen dieser Er-eignisse unter Kontrolle halten zu können. Vielfach hört man daher „risk is measurable uncertainty“ und „uncertainty is unmeasurable risk“. Der Übergang zwischen Risiko und Ungewissheit kann also fließend sein.

Auch das Risiko Management bedient sich zur Aufklärung künftiger Ereignisse diverser Szenario-Techniken, wie es auch in Uncertainty Situationen üblich ist. Dort ist man allerdings mit einem Haufen von Fakten konfrontiert, die man nicht kennt, die man aber kennen könnte. Da diese Fakten vorerst unbekannt sind, ist es auch nicht vordergründig möglich, relevante Szenarien zu entwickeln.

Die Kunst besteht also darin, sich darauf vorzubereiten, dass das Unerwartete geschieht: expect the un-expected. Das Unerwartete ist deshalb unerwartet, weil man es zum Zeitpunkt der Vorbereitung nicht kennt. Man kennt es nicht, weil man keinen Zugriff auf Ressourcen (Experten, Daten) hat, mit deren Hilfe man die Transformation von „unbekannt“ zu „bekannt“ vollziehen könnte.

Managing Uncertainty Methoden arbeiten daher mit Werkzeugen, vorhandenes unbekanntes Wissen zu bekanntem Wissen zu verwandeln, d.h. es für die Entscheidungsträger und Planer verfügbar zu machen.

Das effektivste Mittel dafür ist, Szenarien zu entwickeln, die auf einer breiten Expertise basieren. Aber welche Experten benötigt man, wenn man die Szenarien einer unbekannten Zukunft erst entwickeln soll ?

Der einzige Weg ist, die Szenarien in kleine überschaubare Einheiten zu zerlegen. In diesen kleinen Schnipseln wird der Horizont soweit spezialisiert und damit verengt, dass wenige Experten die gesamte Bandbreite etwaiger Möglichkeiten überschauen können. Dazu gehört eine gewaltige Portion kreativer Phantasie von Fachleuten, um sich real vorstellbare Szenarien im eigenen Fachbereich ausmalen zu können, sie quasi durch ein Sieb zu geben, um sie von unrealistischen Szenarien zu trennen und schließlich mit denjenigen der anderen Expertenkreise zusammenzuführen.

Der Startpunkt wird immer eine Analyse der aktuellen Situation sein.

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Was ist denn eigentlich ein Risiko ?

Die Richtlinie ICH Q9 (Quality Risk Management) beschreibt ein Risiko als „eine Kombination aus der Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Schadensereignisses und der Auswirkung dieses Ereignisses.“

Ähnlich wird es im deutschen Arzneimittelgesetz (§4) definiert: „Ein mit der Anwendung des Arzneimittels verbundenes Risiko ist … jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten …“  

Pharmazeutisch gesehen muss das Patientenrisiko die höchste Priorität haben. Für den CMC Bereich bedeutet das: es geht um Qualitätsrisiken. Daraus hat sich der Ansatz des Quality Risk Management entwickelt. Qualitätsrisiken werden durch Spezifikationen unter Kontrolle gehalten. Daher müssen Spezifikationen sinnvoll und eben „spezifisch“ sein, das bedeutet, durch sie muss die Qualität hinreichend beschrieben werden können. Spezifikationen dürfen daher nicht so breit (wie die berühmten „Scheunentor-Spezifikationen“) angelegt sein, dass zwar keine OOS Situation entsteht, aber dann die Qualität des Produkts nicht ausreichend genau sichergestellt werden kann.

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